AAT #19 – Amir Humanfar

Dezember 9, 2025
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Jan

Wie KI die Pflege verändert – und warum 2026 ein Wendepunkt wird

Ein Deep Dive zur neuen Folge „All About Telemedizin“ mit Amir Humanfar

Die Pflege in Deutschland steht vor einer Zäsur. Viele sprechen vom demografischen Wandel, vom Fachkräftemangel, von steigender Versorgungsbedarfen – doch selten darüber, wie Technologien heute schon Entlastung schaffen könnten, wenn wir sie mutig einsetzen würden.

In der neuen Folge von All About Telemedizin trifft Jan Zeggel auf Amir Humanfar, Co-Founder von HUM Systems und Mitentwickler der KI-Raumassistenz Livy Care. Es entsteht ein Gespräch, das weit über Produktfunktionen hinausgeht: Es zeigt, wie sich Pflege, Telemedizin und KI in den nächsten Jahren miteinander verflechten – und warum wir längst an einem Tipping Point stehen.


1. Der größte Engpass im Gesundheitswesen ist kein Geheimnis – aber die Lösung wird oft übersehen

Über 5 Millionen Menschen in Deutschland sind bereits heute auf Pflege angewiesen – Tendenz steigend. Gleichzeitig sinkt die Zahl derer, die pflegen können oder wollen.

Die Folge: Pflegekräfte arbeiten am Limit, vor allem nachts, wo eine Person für 40–50 Bewohner verantwortlich sein kann.

Heute bedeutet das oft:

  • Rundgänge alle 2–3 Stunden
  • Türen öffnen
  • Schlafende Bewohnerinnen und Bewohner wecken
  • Und dabei nie genau wissen, ob irgendwo eine akute Gefahr besteht.

Das ist weder effizient noch menschlich.

Genau hier setzt Ambient AI an.


2. Livy Care: Wenn der Raum zum aktiven Partner der Versorgung wird

Livy Care ist eine KI-basierte Sensorstation, die an der Zimmerdecke hängt – und viel mehr kann als ein Bewegungsmelder.

Sie erkennt:

  • Stürze
  • Ungewöhnliche Aktivitätsmuster
  • Auffällig lange Aufenthaltszeiten im Bad
  • Akustische Signale
  • Und sogar Vitaldaten wie Herzfrequenz oder Atemmuster

Der entscheidende Punkt:

Die KI wertet mehrere Parameter gleichzeitig aus – und löst nur dann einen Alarm aus, wenn tatsächlich ein Risiko besteht.

Für Pflegekräfte bedeutet das:

✔ Weniger Fehlalarme

✔ Weniger Störungen der schlafenden Bewohner

✔ Mehr Zeit für die Menschen, die wirklich Unterstützung brauchen

✔ Effektiveres Handeln, besonders nachts

Jan bringt es im Podcast auf den Punkt:

„Ihr ermöglicht Pflegekräften, fundiert zu entscheiden, wohin sie zuerst gehen.“

In einem System, das unter Dauerstress läuft, ist das ein enormer Hebel.


3. Von der Haustür bis zur Telemedizin: Versorgung wird durchgängig digital

Ein spannender Wendepunkt im Gespräch ist die Frage:

Wie sieht Versorgung aus, wenn Daten aus dem Raum direkt in telemedizinische Prozesse fließen?

Amir beschreibt, wie Livy Care bereits CGM-Sensoren (Glukosemesssysteme) automatisch ausliest – ohne Smartphone, ohne manuelle Scans.

Jan ergänzt:

  • Telemedizin kann besonders in Pflegeheimen Versorgung sichern
  • Hausärztemangel macht digitale Wege unverzichtbar
  • Longitudinale Daten ermöglichen frühzeitiges Eingreifen
  • Optische Vitaldatenmessung (über Kamera) und Voice Biomarker werden den Standard verändern

Das ist keine Zukunftsvision.

Es passiert jetzt – und es wird rasant schneller.


4. Interoperabilität: Der entscheidende Gamechanger für echte Versorgungsketten

Beide sind sich einig:

Die größte Hürde ist nicht die Technik, sondern der fehlende Standard.

Heute bedeutet digitale Kooperation oft:

  • Jeder Hersteller spricht einzeln mit jedem anderen
  • Keine einheitlichen Schnittstellen
  • Insel-Lösungen, die nebeneinander herlaufen

Jan sagt dazu:

„API or die. Wer sich nicht öffnet, verliert langfristig den Anschluss.“

Mit Initiativen wie der VDSP (Verband Digitale Schnittstellen Pflege) kommt Bewegung in die Sache – aber es ist erst der Anfang.

Ohne verbindliche Standards kann Deutschland keine integrierte Versorgung bauen.


5. KI wird die Versorgung radikal verändern – und schneller, als viele glauben

Ein beeindruckender Abschnitt des Podcasts beschäftigt sich mit der Frage:

Wie viel Diagnostik wird in Zukunft von KI übernommen?

Jan skizziert Entwicklungen, die heute bereits Realität sind:

  • Non-invasive Blutwertbestimmung
  • Diagnostik über Stimme
  • Vitaldatenanalyse per Kamera
  • Optische Messverfahren, die heute schon medizinproduktfähig sind

„Meine Kinder werden in meinem Alter wahrscheinlich keine Blutabnahmen mehr brauchen”, sagt Jan.

Und er meint das ernst.

Amir fragt zu Recht:

Wann wird KI Teil der telemedizinischen Konsultation – vielleicht sogar der Erstkontakt?

Die Antwort:

Einige Länder sind schon weiter als wir.

Und der Sprung nach vorn wird nicht linear, sondern exponentiell sein.


6. Das Problem heißt nicht KI – es heißt Regulatorik

Ein weiteres Kernthema:

Deutschland verhindert Innovation oft nicht aus Absicht, sondern aus Bürokratie.

Beispiele aus dem Podcast:

  • Ärzte dürfen teils nicht selbst entscheiden, wie ihr Telemedizin-Arbeitsplatz ausgestattet sein muss
  • DIGAs veralten im Prozess, bevor Patient:innen sie nutzen können
  • Datenschutz wird zum pauschalen Totschlagargument
  • Gleichzeitig laden 25% der Menschen ihre Arztbriefe bei ChatGPT hoch – ohne zu zögern

Das Ergebnis: ein paradoxes System.

Jan bringt es klar auf den Punkt:

„Technologie macht Versorgung menschlicher – wenn man sie lässt.“


7. Ein Blick auf 2026: Die Trendwende hat begonnen

Beide Enden das Gespräch mit Optimismus.

Amirs Perspektive:

  • Neubauprojekte denken KI-Raumassistenz direkt mit
  • Große Träger öffnen sich – nicht nur die Innovatoren
  • Ein Sogeffekt in der gesamten Branche ist absehbar

Jans Perspektive:

  • Telemedizin wird 2026 flächendeckend etabliert sein
  • EPA + E-Rezept schaffen erstmals echte Grundlagen
  • Fachärztemangel zwingt zu neuen Versorgungspfaden
  • Pflegegrad-Begutachtungen per Video werden Alltag
  • „Alles, was digital besser ist, wird digital werden.“

2026 wird nicht das Jahr der Visionen.

Es wird das Jahr der Umsetzung.


8. Fazit: Die Pflege der Zukunft entsteht genau jetzt

Was diese Podcastfolge zeigt:

Wir stehen nicht an der Schwelle einer Revolution – wir mitten drin.

Ambient AI, Telemedizin, digitale Diagnostik, automatisierte Vitaldaten, interoperable Versorgungsketten:

All das ist nicht futuristisch. Es ist notwendig.

Und:

Es ist die einzige Chance, Pflege und medizinische Versorgung in Deutschland langfristig aufrechtzuerhalten.

Wer heute verstanden hat, wie diese Puzzleteile zusammenspielen, sieht klar:

👉 Pflege wird digitaler – aber nicht unpersönlicher.

👉 KI ersetzt keine Menschen – sie gibt ihnen Zeit zurück.

👉 Die Zukunft entsteht nicht in einzelnen Produkten, sondern in vernetzten Ökosystemen.

Genau darum lohnt es sich, diese Folge zu hören.

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