„Das Limit für die Videosprechstunde ist ein Rückschritt“

April 5, 2022
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Redaktion

Seit dem 01. April 2022 ist die Videosprechstunde auf 30 Prozent aller Leistungen beschränkt. Für Dr. Peter Zeggel, Geschäftsführer der arztkonsultation ak GmbH, ist das Limit weder in der Sache noch vom Zeitpunkt her nachvollziehbar. Für ihn gehört die Beschränkung endgültig abgeschafft.

Eine Änderung am Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) hat zur Folge, dass für die Videosprechstunde zukünftig ein strenges Limit herrscht. Je Leistungserbringer dürfen maximal 30 Prozent aller im Quartal abgerechneten Leistungen per Videosprechstunde abgerechnet werden. Das frühere Limit von 20 Prozent wurde mit gutem Grund ausgesetzt – allerdings nur im Rahmen der Corona-Sonderregeln. Weil diese Regeln für die Videosprechstunde ausgelaufen sind, erhalten Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen und Patient:innen effektiv ein neues digitales Kontaktverbot, sobald die Limits erreicht sind. Dabei haben Tausende sehr gute Erfahrungen mit der Technologie gesammelt.

Die Videosprechstunde ist nützlich und akzeptiert

In den letzten zwei Jahren hat sich die Videosprechstunde von der pandemie-bedingten Ausnahmelösung zur etablierten Kommunikationsform entwickelt. Vor allem in der Psychotherapie – hier konnten drei von vier Praxen entsprechende Erfahrungen sammeln. Auch Arztpraxen, MVZ und Kliniken haben sich seit 2020 zunehmend für die Videosprechstunde geöffnet. Der Zuspruch ist weiterhin sehr groß. Daten von arztkonsultation.de zeigen, dass die durchschnittliche Anzahl an Sitzungen je Praxis sogar weiter steigt. Das spricht für den Nutzen der Technologie in verschiedensten Alltagssituationen. Diesen Mehrwert hat die Videosprechstunde längst bewiesen. Niemand, der sich ernsthaft damit beschäftigt hat, würde heute noch bezweifeln, dass die Videosprechstunde ein nützliches Werkzeug für die Praxis sein kann.

Die Videosprechstunde schützt weiter vor Infektionen

Dass dieses nützliche Werkzeug jetzt weniger benötigt wird, davon kann nicht die Rede sein. Über viele Monate galt kein Fallzahl-Limit für die Videosprechstunde, obwohl die Corona-Inzidenz niedrig war. Momentan sind die Inzidenzwerte sehr hoch und trotzdem werden die Corona-Sonderregeln zur Videosprechstunde gestrichen. Dafür habe ich kein Verständnis. Zwar ist eine Ansteckung heute oft weniger gefährlich, dass die Videosprechstunde Ansteckungen überhaupt erst verhindert, gilt aber nach wie vor – und zwar völlig unabhängig von Sonderregeln. Die Videosprechstunde ist eine dauerhaft ansteckungsfreie Kommunikationsform. Deshalb sollte sie auch nicht durch Sonderregeln, sondern auf Basis nachvollziehbarer und etablierter Vorschriften reguliert sein, die es ja weiterhin gibt.

Sinnvolle Regeln für die Videosprechstunde

Parallel zum pauschalen und völlig willkürlichen Fallzahl-Limit gibt es bereits eine Reihe an sinnvollen Regeln für die Videosprechstunde. So gilt der Grundsatz, dass eine Videosprechstunde nur dann zum Einsatz kommen kann, wenn eine Diagnose oder Behandlung im Einzelfall per Video möglich ist. Diese Einzelfallentscheidung wird durch das künstliche Limit relativiert. Wird Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen diese Entscheidung nicht zugetraut? Dazu kommt, dass eine Videosprechstunde nur dann stattfinden kann, wenn beide Seiten, also auch Patient:innen, den Kontakt per Video wollen. Es kann definitiv niemand zur Videosprechstunde gezwungen werden. Wenn schützt das Fallzahl-Limit also?

Das falsche Signal für die Videosprechstunde

Bei genauerer Betrachtung wirkt das Limit von 30 Prozent wie bloßes Misstrauen gegenüber der Videosprechstunde. Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen wird damit signalisiert, nur nicht zu viele per Videosprechstunden durchzuführen. Das ist schädlich und falsch. Wir sollten aus der Pandemie lernen. Dazu zählt auch, dass Technologie wie die Videosprechstunde in erster Linie eine Chance darstellt. Sie ergänzt und bereichert die Versorgung – in Krisenzeiten und darüber hinaus. Sie ist keine reine Notfallmaßnahme und auch keine Bedrohung, sondern Alltag in Tausenden Praxen, MVZ und Kliniken.

Die privaten Krankenversicherungen haben das verstanden. Für Privatversichterte gilt deshalb dauerhaft kein Limit bei der Videosprechstunde. Hier wird vorgelebt, dass eine künstliche Beschränkung überhaupt nicht notwendig ist. Dieser Schritt muss jetzt auch in der gesetzlichen Versorgung folgen. Dafür braucht es eine politische Initiative. Zahlreiche Verbände haben sich bereits mit klaren Worten gegen das Fallzahl-Limit für die Videosprechstunde ausgesprochen. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) spricht beispielsweise von einer Gefährdung der Versorgung. Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) weist unterdessen darauf hin, dass die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag mehr Telemedizin in der Regelversorgung vereinbart haben. Genau das brauchen wir jetzt – in Form einer möglichst schnellen Abschaffung des Limits. Denn das neue Fallzahl-Limit ist weder in der Sache noch vom Zeitpunkt her nachvollziehbar. Das Limit ist ein Rückschritt für die Telemedizin!

05. Apr. 2022

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