Arbeitsunfähigkeit – Definition & Rechtslage

Juli 11, 2021
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Redaktion

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt genau fest, was unter dem Begriff Arbeitsunfähigkeit zu verstehen ist. Die geltenden Definitionen des G-BA sehen in der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie insgesamt vier Szenarien vor:

  1. Wenn Versicherte wegen einer Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben können oder nur mit dem Risiko, dass sich die Erkrankung weiter verschlimmert, spricht man von Arbeitsunfähigkeit.
  2. Weiterhin besteht auch Arbeitsunfähigkeit, wenn durch die Ausübung der Tätigkeit abträgliche Folgen bei einem bestehenden Krankheitszustand erwachsen, die eine AU bedingen.
  3. Der dritte Anwendungsfall besteht, wenn Versicherte stufenweise im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme wieder ins Erwerbsleben eingegliedert werden sollen. Bis zum Erreichen der vollen Arbeitsbelastung gelten sie als teilweise arbeitsunfähig
  4. Arbeitslose sind arbeitsunfähig, wenn Sie aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in dem Umfang zu erbringen, den sie bei der Agentur für Arbeit angegeben haben - unabhängig von der vorher ausgeübten Tätigkeit.

Eine Arbeitsunfähigkeit (häufig abgekürzt mit AU) muss immer umgehend in Form einer Krankmeldung an den Arbeitgeber oder die Agentur für Arbeit weitergegeben werden (Mitteilungspflicht). Die AU muss spätestens ab dem 4. Tag in Form eines ärztlichen Attestes (AU-Bescheinigung) nachgewiesen werden. Arbeitgeber können diese aber bereits früher verlangen, sogar ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit.

Wer kann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen?

Die Ausfertigung einer AU-Bescheinigung ist ausnahmslos approbierten Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Allerdings dürfen nur niedergelassene Mediziner den gelben Schein ausstellen (Formular 1), der in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Entgeltfortzahlung berechtigt. Alle anderen Ärztinnen und Ärzte dürfen eine private AU-Bescheinigung ausstellen, die das Fernbleiben von der Arbeit rechtfertigt, aber keine Entgeltfortzahlung bedingt.

Psychotherapeutinnen und -therapeuten dürfen grundsätzlich keine AU-Bescheinigungen ausstellen.

Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)

Was auf einer AU-Bescheinigung stehen muss, ist gesetzlich klar geregelt. Folgende Punkte müssen in jedem Fall vermerkt werden

  • Diagnose nach ICD-11
  • Voraussichtliche Dauer der Krankheit (max. 2 Wochen)
  • Erstverordnung oder Folgeverordnung (erneute AU wegen derselben Erkrankung)

Die AU ist für die Krankenkasse und den Arbeitgeber bindend. Es gibt allerdings sowohl für den Arbeitgeber und die Krankenkasse die Möglichkeit, bei Zweifeln an der Wahrhaftigkeit der AU den Medizinischen Dienst (MD) für eine Überprüfung einzuschalten.

Welche Geldleistungen gibt es bei Arbeitsunfähigkeit?

Ein Grundprinzip und -versprechen unseres Sozialstaates ist es, dass Versicherte bei Arbeitsunfähigkeit zunächst weiter ihren Lohn bzw. eine Lohnersatzleistung erhalten.

Nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss eine Meldung an die Krankenkasse erfolgen. Je nachdem, wie lange die AU gilt, gibt es verschiedene Anwendungsfälle.

  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – Arbeitgeber müssen allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sechs Wochen ihr volles Gehalt zahlen.
  • Krankengeld – Nach den sechs Wochen erhalten Versicherte von ihrer gesetzlichen Krankenkasse das sogenannte Krankengeld. Es beträgt mindestens 70 % des Bruttogehalts, aber höchstens 90 % des Nettogehalts. Das Krankengeld ist auf einen gesetzlichen Höchstbetrag von 112,88 Euro pro Tag (Wert 2021) begrenzt. Krankengeld wird für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren gezahlt.
  • Verletztengeld – Wenn die Arbeitsunfähigkeit aus einem Arbeitsunfall resultiert, Versicherte an einer offiziell anerkannten Berufskrankheit leiden oder eine medizinische Rehabilitation (Reha) machen müssen, erhalten sie das sogenannte Verletztengeld.

Und das Kinderkrankengeld? Eltern kranker Kinder sind rein rechtlich gesehen nicht arbeitsunfähig. Stattdessen hat der Staat hier das Instrument des Kinderkrankengeldes geschaffen. Es wird von den Krankenkassen gezahlt, wenn die eigenen Kinder erkrankt sind und zuhause betreut oder gepflegt werden müssen. Wichtig ist, dass keine andere Person, die im Haushalt lebt, die Betreuung übernehmen kann.

💡 Achtung: Während der COVID-19-Pandemie gelten Sonderregelungen beim Anspruch auf Kinderkrankengeld. Aktuelle Infos finden Sie beim Bundesgesundheitsministerium.

Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Seit dem 1. Oktober 2021 wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schrittweise digitalisiert. Es ist vorgesehen, dass bis Anfang des Jahres 2023 alle Arbeitsunfähigkeiten komplett digital abgewickelt werden. Detaillierte Infos finden Sie in unserem Beitrag zur Online-Krankschreibung.

Größter Vorteil für Beschäftigte: Die AU-Bescheinigung muss nicht mehr an die Krankenkasse gemeldet werden, um den Anspruch auf Krankengeld zu sichern. Seit dem 1. Juli 2022 erfolgt die Meldung an die Krankenkasse automatisch. Ab 1. Januar 2023 gibt es dann auch einen neuen Modus für Arbeitgeber, sie müssen die AU-Daten bei den Kassen ihrer Beschäftigten abrufen. Das bedeutet Praxen und Versicherte werden deutlich entlastet.

Wichtige Fachbegriffe rund um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Lückenlosigkeit

Eine lückenlose Krankschreibung ist vor allem wichtig, wenn es um den Anspruch auf Krankengeld geht. Eine Folgebescheinigung sollte immer am ersten Werktag beginnen, nach dem die vorherige Bescheinigung endet. Samstage gelten nicht als Werktage.

Dennoch sollte eine AU-Bescheinigung auch für arbeitsfreie Tage ausgestellt werden, wenn eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung - und später Krankengeld - werden nämlich immer die Kalendertage gezählt, nicht die Werktage.

Insbesondere sollte die Arbeitsunfähigkeit an arbeitsfreien Tage bescheinigt werden, wenn ein flexibles Arbeitszeitmodell (Brückentage) besteht.

Auch beim Übergang von der Entgeltfortzahlung zum Krankengeld ist Lückenlosigkeit wichtig, jedoch sind die Regelungen nicht mehr so streng wie früher. Die Arbeitsunfähigkeit kann seit der Einführung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes im Jahr 2019 auch innerhalb eines Monats nach Ende der sechswöchigen AU-Bescheinigung nachgewiesen werden. Der Anspruch auf Krankengeld ruht in dieser Zeit. Sobald die neue Bescheinigung bei der Krankenkasse eingeht, wird die Zahlung des Krankengeldes aufgenommen.

Rückdatierung

Oft stellt sich die Frage, ob eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch rückwirkend ausgestellt werden kann. Grundsätzlich ist eine Rückdatierung in Ausnahmefällen möglich, allerdings darf der Beginn der AU nicht länger als 3 Tage in der Vergangenheit liegen.

Arbeitsunfähigkeit in der Schwangerschaft

Wer schwanger ist, muss normalerweise bis zum Eintreten des Mutterschutzes (6 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin) regulär arbeiten. Jedoch kann es viele medizinische Gründe geben, die gegen das Arbeiten in der Schwangerschaft sprechen – neben körperlichen Erkrankungen zählen auch psychische Belastungen dazu. Ärztlich relevant sind diese immer, wenn durch die Arbeit das Leben der Mutter und des ungeborenen Kindes in Gefahr geraten können. Ärztinnen und Ärzte können dann ein individuelles Beschäftigungsverbot aussprechen. Die Schwangere darf dann nicht mehr arbeiten und der Arbeitgeber muss das volle Gehalt weiterzahlen.

Wichtig: Das individuelle Beschäftigungsverbot ist rechtlich nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Das heißt, es kann auch länger als sechs Wochen andauern, wenn es ärztlich bescheinigt wird.

Arbeitsunfähigkeit bei Selbstständigen

Wer als Selbstständiger erkrankt, hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, schlicht weil es keinen Arbeitgeber gibt. Auch erhalten Selbstständige kein Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Allerdings können sie sich statt dem ermäßigten Beitragssatz von 14 Prozent auch für den normalen Beitragssatz von 14,6 Prozent plus Zusatzbeitrag versichern lassen. Dann besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Krankengeld.

Zusätzlich bieten viele Versicherungen eine sogenannte Krankentagegeldversicherung, die Selbstständige bei längerer Krankheit absichert.

Arbeitsunfähigkeit bei Kurzarbeit

Wenn Beschäftigte in Kurzarbeit und arbeitsunfähig sind, erhalten sie die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers in Höhe des Kurzarbeiterlohns. Auch das Krankengeld orientiert sich dann an der Höhe des Verdienstes in Kurzarbeit.

Wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Kurzarbeit eingetreten ist und dann weiter besteht, gibt es mehrere Szenarien, wie Kurzarbeitergeld und Krankengeld kombiniert werden können. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

Arbeitsunfähigkeit mit neuer Diagnose

Wie verhält es sich, wenn nach sechs Wochen eine AU mit einer neuen Diagnose vorgelegt wird? Sind Arbeitgeber in diesem Fall verpflichtet, weitere sechs Wochen das volle Gehalt zu zahlen?

Fakt ist: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Ablauf der sechs Wochen lassen sich nicht einfach so hintereinander reihen. Vielmehr muss der Beschäftigte nachweisen, dass die erste Erkrankung vollständig ausgeheilt ist und mit der neuen Erkrankung nicht in Verbindung steht. Sonst werden die zusammenhängenden AU-Bescheinigungen als ein Verhinderungsfall betrachtet und der Beschäftige erhält nach sechs Wochen regulär Krankengeld.

Arbeitsunfähigkeit bei Beschäftigungsbeginn

Was Viele nicht wissen: In den ersten vier Wochen nach Aufnahme einer Beschäftigung besteht noch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Werden Arbeitnehmer*innen in dieser Zeit arbeitsunfähig, sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, Gehalt zu zahlen. Dafür muss dann ersatzweise Krankengeld bei der Krankenkasse beantragt werden.

Arbeitsunfähigkeit für pflegende Angehörige

Wenn Angehörige plötzlich pflegebedürftig werden, stellen sich viele Fragen. Beschäftige haben das Recht, dafür eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu 10 Arbeitstagen im Jahr geltend zu machen. Dabei handelt es sich jedoch aus rechtlicher Sicht nicht um eine Arbeitsunfähigkeit. Die Entgeltfortzahlung erfolgt über das Pflegeunterstützungsgeld durch die Pflegekasse. Grundlage dafür ist das Pflegezeitgesetz. Beratung hierzu erhalten Sie in einem der Pflegestützpunkte in Ihrer Nähe.

Sonderfall: Arbeitsunfähigkeit und Quarantäne

Wer sich aufgrund einer behördlichen Anordnung in Quarantäne begeben muss, ist nicht per se arbeitsunfähig. Nur wenn die betroffene Person auch Krankheitssymptome aufweist, kann eine ärztliche AU-Bescheinigung ausgesprochen werden.

Die Entgeltfortzahlung im Quarantänefall ist über das Infektionsschutzgesetz abgesichert. Dazu müssen Arbeitnehmer einen behördlichen Nachweis über die Anordnung einer Quarantäne bei ihrem Arbeitgeber einreichen. Oft stelle sich die Frage, ob Beschäftigte in Quarantäne arbeiten müssen, wenn die Tätigkeit auch im Home Office möglich ist.

Die Antwortet lautet: ja! Wer sich in Quarantäne befindet und symptomfrei ist, muss arbeiten. Es sei denn, es sprechen andere Gründe dagegen, z. B. die notwendige Betreuung der eigenen, ebenfalls sich in Quarantäne befindenden Kinder.

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